Was geschähe, wenn die Natur in der Komfortzone bliebe?
Stell dir vor, die Natur beschliesst eines Tages, die Komfortzone nicht mehr zu verlassen. Allzu bequem ist es doch, wenn alles so bliebe, wie es ist. Kein Samen, der sich durch das harte Erdreich einen Weg ans Licht hart erarbeitet; kein Baum oder Busch, der die Kräfte sammelt, um neue Knospen und Blüten spriessen zu lassen.
Grau in Braun
In welch einer tristen, grau-in-braun farbenen Welt müssten wir leben? Ganz abgesehen davon, dass uns der Sauerstoff fehlte und wir keine Lebensmittel hätten.
Die Natur denkt nicht darüber nach, dass es Frühling ist und es vielleicht an der Zeit wäre, in die Gänge zu kommen. Sie denkt nicht über die Gefahren nach, die „da draussen“ auf sie warten; ob es dieses Jahr wohl genug Wasser geben wird, damit sie wachsen kann; ob es ausreichend Sonnenschein geben wird, damit ihre Früchte reifen können oder ob sie vielleicht durch einen Brand, Sturm, Hitze zerstört wird.
Was kümmert es die Natur?
Überlegt sie sich, ob die benachbart wachsende Huflattichfamilie schöner blüht als die eigene? Ob sie mehr Sonnenlicht abbekommt? Oder ob ein humaner Spazierender sich eine ihrer Blüten einverleibt, im Glauben, so das Jahr durch vor Husten geschützt zu sein?
Nein, sie tut es einfach. Ganz von sich aus, von ihrem Inneren heraus. Ohne sich zu kümmern.
Was, wenn ...
Wir Menschen kümmern uns. Viel zu viel, viel zu lang und stehen unserem Wachstum damit selbst im Weg.
Ich bin selbst eine Meisterin im Kümmern, im Grübel. „Was, wenn …“. Beschäftigt mich etwas, dann male ich mir Szenarien aus für alle möglichen, nie eintreffenden Situationen. In den Gedanken bereite ich mir schwierig erscheinende Gespräche vor, die nie so stattfinden.
Dies kostete mich in der Vergangenheit viel Energie und manche Nächte. Doch es war ein Weg, damit ich mich vorbereitet fühlte auf das, was kommen KÖNNTE. Die Möglichkeitsform, der Konjunktiv, ist eine beliebte Verkleidung der Was-wenn-Falle. Ertappst du dich dabei, sie zu nutzen, ist es ein Hinweis auf eine Ausrede oder eine Hintertüre.
Keine Selbstverurteilung bitte!
Wichtig ist, dass wir uns nie selbst verurteilen, dass wir uns bisher nicht gewagt haben, dass wir immer noch der Was-wenn-Falle auf den Leim gehen. Ich habe gelernt, dass je mehr ich meine Komfortzone verlasse, umso mehr vertraue ich meiner Intuition und grüble nicht mehr lange.
Dabei machen die einen Babyschritte, andere wagen den grossen Sprung. Also vergleiche dich bitte nicht mit anderen!
Die inneren Rollen
Jeder von uns entwickelt im Laufe seines Lebens, durch Erfahrungen, Traumen, Erlebnisse, Musterverhalten, Glaubenssätze etc. Dadurch entstehen „innere Helfer“, wie bspw. der Beschützer, Kritiker, Manager u.v.m. Sie entstanden damals in bester Absicht.
Gelangen wir als Erwachsene in eine ähnliche Situation, betreten sie die Bühne und stehen im Rampenlicht.
Der Manager treibt uns zu Höchstleistungen an. Er will, dass wir erfolgreich sind, damit wir von unserem Umfeld so wahrgenommen und respektiert werden. Wenn wir das erreicht haben, dann sind wir „Jemand“.
Der Kritiker hingegen hält uns klein, traut uns nichts zu, hält es für falsch, dass wir uns selbst so wichtig nehmen. Er mag es nicht, wenn wir selbstbewusst sind, das findet er eitel.
Der Beschützer lässt uns angepasst leben, bloss nicht auffallen, niemandem zu nahe treten, wir könnten verletzt werden.
usw.
Das Gute ist, dass wir mit diesen Rollen in den inneren Dialog gehen können. Als sie, oft in unserer Kindheit, entstanden, waren wir selbst bisher nicht in der Lage, die Situationen richtig zu erfassen. Ihnen bspw. zu erklären, dass wir jetzt erwachsen sind und sie in dieser Rolle nicht mehr benötigen, ist ein Weg, der in der prozessorientierten Psychologie angewendet wird.
Die Natur als Beispiel
Die Natur kennt solche Rollen nicht. Sie lebt im Moment, im Prozess, der sich zeigt. Jedes Jahr durchläuft sie diesen Prozess aufs Neue: Erwachens und Erblühen, Reifen und Sterben.
Wir dürfen von ihr lernen, dem Prozess zu vertrauen. Das Auftauchen von einer oder mehreren Inneren Rollen ist ein Zeichen, dass wir eine Grenze erreicht haben. Überwinden wir diese, ist Wachstum aus eigener Kraft möglich. Schrecken wir vor der Grenzüberschreitung zurück, bleiben wir stehen und verharren in der Komfortzone.
Die Natur zeigt: Das Leben findet ausserhalb der Komfortzone statt.